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FINTECH INNOVATORS

Pfandkredite: Die letzte Bastion unterdigitalisierter Fintech-Services

Fintechs erhalten bereits seit mehreren Jahren erhöhte Aufmerksamkeit sowie beachtliches VC-Funding und sind mittlerweile auch im Retail-Bereich etabliert: Zahlungsabwicklung, Versicherungsleistungen, Banking, Broker, Personal Finance, Lending oder Investing wurden in diesem Zusammenhang von Grund auf neu gedacht. Nur wenige Verticals sind noch unterdigitalisiert – Pfandkredite sind einer davon. Zurecht?

Trends und Marktumfeld: cash now, use later

Eine der Innovationen der vergangenen Jahre im FinTech-Bereich bildet der Trend hin zu buy now, pay later (BNPL) und die damit verbundene Digitalisierung von Lieferantenkrediten. Dabei haben Kunden die Möglichkeit, die gekauften Produkte nicht zum Kaufzeitpunkt, sondern über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten in Raten zu bezahlen. Diese Entwicklung erhöht den Konsum und bindet zugleich Kapital in Konsumgütern, die nur teilweise genutzt werden. Der digitale Pfandkredit ermöglicht nun, das in Konsumgütern gebundene Kapital wieder zu Cash zu machen. Digital, transparent und temporär. Die Erweiterung von „Buy now, pay later“ um „Cash now, use later“ ist ein neuer Markttrend in Fintech.

COVID als Booster für relevante Zielgruppen

Während der COVID-19-Pandemie erhielten die Themen Konsum und Digitalisierung einen neuen Aufschwung und wurden in einem anderen Licht betrachtet. Zusätzlich fiel durch die Pandemie einem nicht unwesentlichen Anteil der Bevölkerung zumindest ein Teil des monatlichen Einkommens weg, was insbesondere Junge und Geringverdiener mit niedrigen Liquiditätspolstern traf. Dabei wurde ersichtlich, dass auch in Industriestaaten ein nicht zu unterschätzender Anteil der Bevölkerung als „underbanked“ gilt, also nur einen beschränkten Zugang zu klassischen Bankprodukten wie Kreditkarten oder (Konsum-)Krediten hat (in den USA immerhin 13% der Gesamtbevölkerung ). Gleichzeitig sind Banken aufgrund der bestehenden Regulierungen und der fehlenden Bonität ebendieser Kunden oft die Hände gebunden, sodass diese erschwerten Zugang zu Liquidität haben. Wie aber sollen Konsumenten ohne ausreichende finanzielle Mittel defekte Haushaltselektronik wie Waschmaschine oder Kühlschrank ersetzen, unerwartete Kosten wie eine Autoreparatur bezahlen, oder ein kaputtes Smartphone durch ein neues ersetzen? In Fällen wie diesen können kurzfristige Liquiditätsengpässe drastische Auswirkungen auf den Lebensstandard haben. Da jedoch viele dieser Konsumenten Wertgegenstände besitzen, bilden Pfandkredite hier oft die „vergessene Option“, die unter solchen Umständen eine Möglichkeit zur Überbrückung bieten.

Pfandleihe – eine Branche im Dornröschenschlaf

Das klassische Geschäft mit Pfandkrediten ist bereits Jahrhunderte alt, hat sich im Kern jedoch bisher kaum verändert. In diesem Zusammenhang ergeben sich heutzutage mehrere Herausforderungen, mit denen Kunden konfrontiert sind:

  1. Image: Das Erscheinungsbild der Geschäftslokale von traditionellen Pfandleihe-Anbietern wirkt oftmals unseriös und wenig vertrauenswürdig und der Auftritt ist oft wenig ansprechend für potenzielle Kunden. 
  2. Intransparenz: Der Endkunde ist zunächst auf den Schätzmeister angewiesen, der den Wert des jeweiligen Produktes bestimmt, wobei dem Kunden oftmals eine objektive Preisfindung vorenthalten ist bzw. eine gewisse „Abhängigkeit“ vermittelt wird.  Im nächsten Schritt ist oft unklar, wie sich neben dem auszuzahlenden Betrag die Zins- bzw. Gebührenstruktur zusammensetzt.
  3. Abgedeckte Produktpalette: Viele Pfandleihe-Shops fokussieren sich auf Wertgegenstände wie Uhren oder Schmuck, der Fokus liegt also tendenziell auf wenigen, hochpreisigen Gegenständen. Gleichzeitig ist es insbesondere bei jüngeren Generationen der Fall, dass viele ihrer wertvollsten Gegenstände – neben dem Auto – verhältnismäßig mehrere mittelpreisige Elektronikartikel wie Handys, Smartwatches, Fernseher, Tablets oder Spielkonsolen sind.
  4. Kundenzentrierung: Die allermeisten dieser Shops haben keinen oder einen schlechten Webauftritt, der Vertrauen zur Kundenbasis aufbauen könnte. Somit sind Abwicklung, Kommunikation, Dokumentation und Servicierung (Verlängerung oder Rückzahlung) durch die Bindung an Öffnungszeiten sehr unflexibel und erfordern den Gang zum Geschäftslokal.

All diese Aspekte zeigen auf, dass bisher die Transaktion an sich im Vordergrund stand und deshalb viel Potenzial auf der Strecke blieb, da der Service sowie die gesamte „Customer Experience“ zweitrangig erscheint.

Mehrwert durch Digitalisierung

Digitalisierung bietet eine einmalige Möglichkeit, die genannten Probleme zu adressieren und das Geschäftsmodell der Pfandleihe neu auszurichten. Algorithmen können die Wertermittlung für eine Vielzahl an Gegenständen – abhängig von deren Modell und Zustand – objektivieren, Kosten für den Endkunden werden transparent offengelegt und zusätzliche Services zentralisiert abgewickelt. Als positives Beispiel dafür kann unser Portfoliounternehmen CASHY genannt werden, das eine Plattform zur Abwicklung von Kurzzeit-Finanzierung entwickelt hat, auf der Kundenerlebnis und Transparenz im Vordergrund stehen. Endkonsumenten erhalten dadurch niederschwellig Zugang zu Liquidität, den sie sonst bei intransparenten oder teureren Anbietern suchen müssten. Zusätzlich bietet CASHY die Möglichkeit zum Direktverkauf von Wertgegenständen und schafft somit eine innovative und attraktive Lösung, um nicht benötigte Wertgegenstände mit wenig Aufwand zu verkaufen. 

Autor: Stefan Puchinger, Investment Associate aws Gründerfonds

Dieser Artikel ist am 14.12.2021 im Fintech Innovators Rising Stars 2021 Report erschienen.